Von GOTT ist in der Kirche andauernd die Rede. Im Gottesdienst sprechen wir zu ihm, in den biblischen Texten hören wir über ihn, in der Predigt erzählen wir von ihm. Es scheint, als wüssten wir jede Menge über GOTT. Doch je genauer wir hinschauen, desto mehr zerrinnt uns die Gewissheit über GOTT in den Händen. Das religionskritische Denken der Moderne stellt unsere herkömmlichen Gottesbilder infrage: Ist Gott bloße Projektion unserer Wünsche? Ist er überflüssig geworden durch die Wissenschaft? Ist er vielleicht sogar eher schädlich als krankmachender Moral-Polizist?
Ist Gott am Ende ein »menschliches Fabeltier«, wie Johann Gottfried Herder meinte? Oder stoßen wir hinter den Bildern und Übermalungen, den leeren Begriffen und den hohlen Belehrungen auf den verborgenen G*TT und erfahren ihn als Grund und Ziel unseres Lebens? In fünf Schlaglichtern gehen wir in den kommenden Wochen vom Menschen aus, um etwas über G*TT zu erfahren und kehren am Ende zum Menschen zurück.
21. April: »Das größte Geheimnis«
»Das wunderbarste, das ewige Phänomen, ist das eigene Dasein. Das größeste Geheimnis ist der Mensch sich selbst«, schreibt Novalis (Neue Fragmente 2149). So scheint es auch die Bibel zu sehen. Noch vor der Frage nach Gott stellt sie die Frage nach dem Menschen: »Noch [ist] nicht offenbar geworden, was wir sein werden« (1 Joh 3,2) lesen wir im ersten Johannesbrief. Spannend ist, dass wir auf die Frage nach dem Rätsel, das wir uns selbst sind, auch in der Bibel keine Antwort erhalten. Wir bleiben uns radikal fraglich.
5. Mai: »Was ist Gott?«
»Was ist Gott? unbekannt, dennoch voll Eigenschaften ist das Angesicht des Himmels von ihm« lesen wir bei Friedrich Hölderlin. Ist es möglich, aus dem Angesicht des Himmels, den Zeichen der Natur auf Gott und sein Wesen zu schließen? Ist er eine Ansammlung von möglichst beeindruckenden Eigenschaften – Macht, Größe, Erhabenheit – oder sehen wir in diesen Eigenschaften wiederum nur uns selbst? Von welcher Art könnte der Spiegel sein, in dem wir Gott schauen?
26. Mai: »Einheit der Wirklichkeit«
»Ich bin bei euch, alle Tage bis zum Ende der Welt«, verspricht Jesus seinen Jüngern. Doch wie kann Gott überhaupt in dieser Welt präsent sein, um sein Versprechen zu halten? Hat er sie doch, wie es der biblische Schöpfungsbericht sagt, »aus dem Nichts« geschaffen und steht der Welt damit radikal gegenüber? Als Christinnen und Christen glauben wir, dass der absolut transzendente Grund des Kosmos zugleich ganz der Welt immanent ist. »Diesseits« und »Jenseits« sind keine zwei unterschiedlichen Wirklichkeiten, vielmehr gibt es nur eine Wirklichkeit. Doch wie können wir ihre gegensätzlichen Aspekte zusammendenken?
23. Juni: »Gerichtshof der Vernunft«
In seiner Schrift »Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee« zeigt Immanuel Kant, dass Theodizee als eine Rechtfertigung Gottes vor der Vernunft angesichts der Übel in der Welt auf herkömmliche Weise nicht möglich ist. Den einzigen »authentischen« Weg, die Existenz des Bösen mit der Existenz Gottes zu versöhnen, geht nach Kants Meinung Ijob. Er bringt seine Klage vor Gott – und erhält tatsächlich eine Antwort. Stellt diese auch uns zufrieden?
7. Juli: »Vom Kopf auf die Füße«
In der Philosophie wie in der Religion steht die Welt – nach einem bekannten Urteil von Karl Marx und Friedrich Engels – auf dem Kopf. Das Denken scheint in überzeugender Weise die Wirklichkeit zu erklären und der Glaube vermittelt Bilder, die Mensch und Welt in einen umgreifenden Sinnhorizont einschreiben. Womöglich aber werden wir dadurch betrogen: Um das Leben im Hier und Jetzt, um die Möglichkeit, die Verhältnisse tatkräftig zu gestalten. Muss Glaube Vertröstung bleiben oder gibt er uns im Gegenteil Impulse, uns erst recht auf die Füße zu stellen, wie der Prophet Ezechiel (Ez 1,2) meint, der dies lange vor Marx und Engels erreichen wollte?