„Spiritualität“ ist ein relativ neues Wort für eine alte Weisheit:
Auf dem Weg von den ersten christlichen Gemeinden über die mittelalterliche Mystik bis hin zur neuzeitlichen Entdeckung der Autonomie des Subjekts rückte die entscheidende Bedeutung der persönlichen Gottesbeziehung des einzelnen Menschen immer mehr ins Bewusstsein.
Spiritualität dient der Entfaltung, Förderung und kritischen Begleitung dieser Beziehung zu Gott. Sie schließt dabei das In-der-Welt-Sein des Menschen und seine Beziehungen zu den Mitmenschen als wesentliche Dimensionen der Gottesbeziehung mit ein.
In der KHG Regensburg pflegen wir Spiritualität
- als einen Erfahrungsweg. Eine spirituelle Lebenshaltung kann niemandem aufgedrängt oder angelernt werden. Sie besteht nicht in der Übernahme fertiger Formeln, sondern wächst aus der Integration umfassender und vielfältiger eigener Lebenserfahrung. Spiritualität setzt einerseits den Glauben mit dem Alltagsleben in Beziehung und hilft andererseits, den alltäglichen Erfahrungen aus der Glaubensüberzeugung heraus Tiefe und Sinn zu geben. Die KHG möchte Raum geben für dieses „Abenteuer der personalen Begegnung mit Gott und den Menschen“.
- als einen Weg kritischer Vergewisserung. Gerade der spirituelle Zugang zum Glauben als individuellste Form seiner Aneignung muss sich der Vergewisserung und kritischen Überprüfung stellen. Spiritualität hat es zu tun mit dem letzten Grund, der mich trägt; ich kann mein Leben aber nur auf etwas gründen, von dem ich unbedingt überzeugt bin. So hat die Herausbildung einer persönlichen spirituellen Haltung ihre unmittelbare Wurzel in der biblischen Verpflichtung zur Rechenschaft über den Grund der Hoffnung, die mich trägt (1 Petr 3, 14). Auf diese Weise trägt das ernsthafte Mühen um eine spirituelle Lebenshaltung auch bei zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Grundlagen der eigenen Glaubensüberzeugung und fördert damit ebenso die Bildung des persönlichen Gewissens wie ein vertieftes Verständnis der Grundlagen des Glaubens.
- als einen Weg der Einheit von Glauben und Leben. Spiritualität verleiht einem zentralen Anliegen im Selbstverständnis des modernen Menschen Ausdruck, nämlich dem Bemühen, das eigene Leben aus einer einheitlichen Perspektive begreifen zu können und Weltliches und Religiöses nicht als zwei voneinander getrennte Bereiche zu erfahren. Der Mensch kann nicht Bürger zweier Welten sein, einer profanen Welt, in der er es mit anderen Menschen und Dingen zu tun hat und einer religiösen Sonderwelt, in der er glaubend in ein Verhältnis zu Gott tritt. Die Zuweisung des Religiösen in einen wenngleich ausgezeichneten Sonderbereich des Lebens ist gerade unter den Bedingungen der Moderne „der treffendste Ausdruck für existentielle Zerreißung. Sie ist das Herzstück dessen, was das klassische Christentum ‚Sünde‘ genannt hat.“ (Paul Tillich) Gottesverhältnis und Weltverhältnis gehören untrennbar zusammen; eine spirituelle Lebenshaltung verbindet diese beiden Dimensionen zu einem einheitlichen Erfahrungsbereich. Sie ist nicht nur geprägt durch die unmittelbare persönliche Gottesbeziehung, sondern wirkt aufgrund der Zusammengehörigkeit aller Lebensbereiche auch hinein in den zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Bereich.
- als einen Weg von innen nach außen. Weil sie alle Dimensionen des Lebens umfasst, hat Spiritualität so gut wie immer auch politische Wirkungen. Echte Spiritualität tritt mit konkretem gesellschaftlichem Engagement allem entgegen, was Leben hindert, verletzt oder begrenzt. Sie ist damit – als gelebte Form religiöser Überzeugung – geradezu prädestiniert, auch in die Diskurse einer säkularen Gesellschaft das Sinnpotential des Glaubens einzuspeisen.